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Der lange, grüne Weg der EU – Teil 1: Das Clean Energy Package

Die grüne Regulierung auf EU-Ebene schreitet kontinuierlich voran. Seit gut zwei Jahren ist der Green Deal diesbezüglich in aller Munde. Ziel des Green Deal ist es, eine umfassende Wachstumsstrategie für eine klimaneutrale und ressourcenschonende Wirtschaft zu schaffen, wobei die Triebfeder die EU-weite Treibhausgas-Neutralität bis zum Jahr 2050 ist. Der Green Deal selbst ist jedoch nur eine Kommunikation der Kommission, die diverse weitere Strategien beinhaltet. Regulatorisch spannt die EU den Bogen allerdings viel weiter.

Der regulatorische Gesamtrahmen

Um Finanzmarkteilenehmer und Industrieunternehmen zu pushen, die Ziele des Green Deal zu verwirklichen und Investitionen tatsächlich auch in nachhaltige Projekte und Aktivitäten zu lenken, wurde 2020 das Taxonomy Package geschaffen. Die Taxonomy verbindet Investition mit ökologisch nachhaltiger Wirtschaftstätigkeit.
Im Juli dieses Jahres kam ein weiteres Package hinzu: Fit for 55. Dieses Package soll nun den Green Deal regulatorisch umsetzen. Es besteht sowohl aus reformierten als auch aus neuen Richtlinien und Verordnungen.
Der grüne Weg, den die EU beschreitet hat allerdings nicht erst mit dem Green Deal begonnen, sondern bereits mit dem in 2016 vorgestellten Entwurf des sog. Clean Energy Package, der schließlich im Juni 2019 vollständig verabschiedet wurde. Ziel des Clean Energy Package waren insbesondere die Europäisierung der Energiewende, die Stärkung des Binnenmarktes, die Stärkung der Verbraucher und die Dekarbonisierung und Steigerung der Energieeffizienz.

Das Clean Energy Package als weitreichender Startschuss

Das Clean Energy Package basiert zum Großteil auf bereits existierenden Regelwerken aus dem dritten Energiepaket und den sog. 2020-Zielen.

Das Clean Energy Package umfasst insgesamt vier Richtlinien und vier Verordnungen:

  • Novelle der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie,
  • Novelle der Energieeffizienz-Richtlinie,
  • Weiterentwicklung der Gebäuderichtlinie,
  • Novelle der Strombinnenmarktrichtlinie,
  • Strombinnenmarkt-Verordnung, die die bestehende Verordnung über Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel aufheben soll,
  • Novelle der Verordnung zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden,
  • Entwurf einer Verordnung zur Krisenvorsorge,
  • Entwurf einer Verordnung zur besseren Koordinierung der nationalen Energiepolitiken durch abgestimmte nationale Klima- und Energiepläne (sog. Governance-Verordnung).

Schwerpunkte waren insbesondere die Novelle der Strombinnenmarktverordnung und -richtlinie als auch die Novelle der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie.
Durch den nahezu zeitgleich kommunizierten Green Deal hatte das Clean Energy Package zunächst wenig Beachtung erfahren. Erst verspätet wurde der regulatorische Rundumschlag durch das Clean Energy Package durch die Industrie erkannt.

Die Adressaten des Clean Energy Package

Inhaltlich adressiert das Clean Energy Package Übertragungs- als auch Verteilernetzbetreiber, Regionale Sicherheitskoordinatoren, Energieversorger und Endkunden. Ohne sie direkt zu adressieren nimmt das Clean Energy Package allerdings auch Einfluss auf die im Energiesektor einschlägige Industrie.

Novelle der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie

Mit dieser Novelle ist ein gemeinsamer Rahmen für die Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen vorgeschrieben worden. Mit dieser Novelle wurde erstmals in neuerer Zeit ein verbindliches nationales Unionsziel für den Gesamtanteil von Energie aus erneuerbaren Quellen am Bruttoendenergieverbrauch bis 2030 und für den Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen im Verkehrssektor festgelegt. Gleichzeitig sind Regeln für statistische Transfers zwischen Mitgliedstaaten, gemeinsame Projekte, die die finanzielle Förderung von aus erneuerbaren Energiequellen erzeugter Elektrizität und deren Eigenverbrauch sowie die Nutzung erneuerbarer Energiequellen in der Wärme-/ Kälteerzeugung und im Verkehrssektor betreffen, festgelegt worden.
Ferner wurden Kriterien für die Nachhaltigkeit und für die Einsparung von Treibhausgasemissionen für Biokraftstoffe, flüssigen Biobrennstoffen und Biomasse-Brennstoffen vorgeschrieben.

Novelle der Strombinnenmarktrichtlinie

Ziel der Novelle war es, unter Nutzung der Vorteile eines vollständig integrierten Strommarktes erschwingliche Energiepreise für Verbraucher, die Versorgungssicherheit sowie den Übergang zu einem dekarbonisierten Energiesystem zu gewährleisten. Der Schutz und die Stärkung der Verbraucher selbst ist Gegenstand mehrerer neuer Vorschriften. So bestimmt die Richtlinie u.a. das Recht auf Verträge mit dynamischen Stromtarifen und verpflichtet die Mitgliedstaaten, ein Instrument zum Vergleich verschiedener Angebote zu schaffen. Dadurch wird der Wettbewerb zwischen den Stromanbietern ebenfalls gefördert. Einige der Vorschriften, beispielsweise die über lastvariable, tageszeitabhängige oder dynamische und sonstige Stromtarife haben mittlerweile Eingang in das EnWG gefunden.

Novelle der Strombinnenmarktverordnung

Zusammen mit dem Vorschlag für eine Strombinnenmarktrichtlinie sollte durch diese Novelle ein viel detaillierterer Rahmen für einen europäischen Elektrizitätsbinnenmarkt geschaffen werden. Kernpunkte waren insbesondere:

  • Schaffung einer DSO Entity
  • Ermächtigung zur Neuordnung bestehender Gebotszonen
  • Einführung von Regional Cooperation Centers
  • Einführung von Kapazitätsmechanismen
  • Paradigmenwechsel beim Einspeisevorrang von Strom aus Erneuerbaren Energien

Die Kommission formulierte hier nicht nur die Grundsätze für den Betrieb der Elektrizitätsmärkte neu, sondern schaffte mit der Strombinnenmarktverordnung auch neue inhaltliche Vorgaben.

Fazit

Das Clean Energy Package war nur die erste Etappe auf dem langen, grünen Weg der EU. Weitere Regulierungspakete, insbesondere die Taxonomy und Fit for 55 sind noch nicht zur Gänze final. Durch das Clean Energy Package eingebrachte Neuerungen werden durch das Fit for 55 Package nun erneut angepasst, so beispielweise die Erneuerbare-Energien-Richtlinie. Hier gilt es wachsam zu sein, denn immer häufiger sind die Änderungen und Anpassungen im Verlaufe des Gesetzgebungsprozesses nicht nur marginal, sondern umfangreich und weitreichend.

Autorin: Dr. Susann Funke, CEO, Legal Officer LEX AI GmbH, Rechtsanwältin. LEX AI ist ein deutsches LegalTech-Startup (www.lexai.co) mit Sitz in Hamburg, das innovatives juristisches Design, maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz einsetzt, um die Art und Weise, wie Juristen mit komplexen internationalen und nationalen Vorschriften und Gesetzen umgehen, radikal zu verbessern. Ziel von LEX AI ist es, die Kosten und den Aufwand für juristische Recherchen und Wissensaufbau um bis zu 75% zu reduzieren.

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