Der neue nationale Emissionshandel – Funktion und Auswirkungen der Neuregelung

Seit dem 1.1.2021 ist in Deutschland das neue nationale Emissionshandelssystem auf Grundlage des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (kurz BEHG) in Kraft. Zweck dieses neuen Regulierungsregimes ist es, Treibhausgasemissionen aus Kraft- und Heizstoffen durch die Einführung eines sog. CO2-Preises zu reduzieren. Das damit neu eingeführte nationale Brennstoff-Emissionshandelssystem wird künftig neben dem europäischen Emissionshandelssystem bestehen.
Der europäische Emissionshandel (EU-ETS) ist schon seit vielen Jahren etabliert und die Betroffenen sind sich ihres Pflichtenkanons mit den zugehörigen Fristen bewusst. Der nationale Emissionshandel will die bisher nicht am EU-ETS teilnehmenden Sektoren Wärme und Verkehr erfassen und deren Einsparungspotential hinsichtlich der CO2-Emissionen abschöpfen. Denn Deutschland hat sich sowohl auf europäischer als auch auf globaler Ebene verpflichtet bis 2030 mindestens 55 % CO2 einzusparen und bis 2050 sogar klimaneutral zu werden. Den dafür erforderlichen Anschub, soll der nationale Emissionshandel (nEHS) mit einem maßgeblichen Anteil CO2-Ersparnis leisten.
Mit dem neuen CO₂-Preis werden künftig die Energiepreise für fossile Brennstoffe belastet. Dies betrifft zunächst Mineralölprodukte wie Benzin, Diesel, Kerosin und Heizöl sowie Erdgas und Flüssiggas, ab 2023 außerdem Abfälle sowie feste Brennstoffe wie Mischstoffe und Kohle. Neben den unterschiedlichen Sektoren unterscheidet sich der nationale vom europäischen Emissionshandel auch in seinem Anknüpfungspunkt. Setzt der EU-ETS noch beim Anlagenbetreiber und damit beim Emittenten der Treibhausgase direkt an und nimmt diesen in die Pflicht des Zertifikatehandels – setzt der nationale Emissionshandel eine Stufe davor beim sog. „Inverkehrbringer“ im Sinne des Energiesteuerrechts an. Hintergrund der unterschiedlichen unmittelbaren Verpflichtung ist der Umstand, dass in den Bereichen Wärme und Verkehr, eine Anknüpfung bei den jeweiligen Emittenten aufgrund deren Vielzahl zu unübersichtlich würde. Um den Adressatenkreis überschaubar zu halten, werden beim Zertifikatehandel im nationalen Emissionshandel also die Inverkehrbringer in die Pflicht genommen.
Die Belastung spiegelt sich bei privaten und industriellen Verbrauchern regelmäßig zwar nur mittelbar, so aber doch deutlich in der Rechnung ihres Energielieferanten wider. Unmittelbar belastet mit den neuen Pflichten der Kontoeröffnung, des Zertifikaterwerbs, der Berichterstattung, der Planerstellung und der Zertifikatabgabe etc. sind demgegenüber nur die sog. Inverkehrbringer der fossilen Brennstoffe. Dies sind regelmäßig z.B. Raffinerien oder aber Energielieferanten, die Erdgas an Letztverbraucher verkaufen, können aber bei entsprechender Unternehmensstruktur auch Industrieunternehmen sein. Die Eigenschaft als Inverkehrbringer richtet sich nach dem Energiesteuerrecht, als demjenigen bei dem die Energiesteuer entsteht. Die Kosten des Zertifikatkaufs wird der Inverkehrbringer dann an seine Kunden weiterwälzen. Dieser Ansatz reduziert damit die Gruppe von Unternehmen, für die neue Pflichten erwachsen und gewährleistet dennoch die flächendeckende Belastung aller fossilen Energieträger.
Der einzelne Verbraucher wird die Verteuerung fossiler Brennstoffe aktuell vor allem an der Tankstelle sowie auf der Gasrechnung bemerken. Für Industrieunternehmen spielt vor allem die Verteuerung von Erdgas eine Rolle, dass vielfach für Prozesswärme oder zur Stromerzeugung, z.B. in BHKWs, eingesetzt wird. Keine CO2-Preise sind hingegen bei dem Einsatz von erneuerbaren Brennstoffen zu zahlen, z.B. bei Biogas oder Altholz. Der Einsatz von Elektrizität ist nur mittelbar vom CO2-Preis betroffen, eine Verteuerung ist jedoch zu erwarten, wenn es sich um Strom handelt, der mittels Einsatz von fossilen Brennstoffen, wie Kohle oder Gas, erzeugt wurde, nicht aber bei Strom aus erneuerbaren Energien.
Dabei ist der neue CO2-Preis im Wesentlichen so konzipiert, dass er weitestgehend wie die bereits etablierte Energiesteuer abgewickelt wird. Soweit ein Unternehmen also bereits jetzt unmittelbar verpflichtet ist, Energiesteuer zu zahlen, hat es nun im Regelfall zusätzlich die Pflicht, für die entsprechenden Energieerzeugnisse Emissionszertifikate zu erwerben.
Nur diese Inverkehrbringer müssen also den CO2-Preis direkt abführen. Diese registrieren sich bei der Deutschen Emissionshandelsstelle DEHSt, eröffnen ein Konto, erstellen einen Überwachungsplan, geben jährliche Emissionsberichte der jeweils verheizten Mengen und deren Kohlenstoffdioxidäquivalente ab, erwerben die hierfür notwendigen Emissionszertifikate und geben die Zertifikate in der zuvor berichteten Höhe der Emissionsmengen ab. Die Zertifikate beziehen sich jeweils auf eine Tonne Treibhausgasäquivalent, dabei beziehen sie sich – wie der europäische Emissionshandel EU ETS – auf die Treibhausgase Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O), sie teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (HFKW), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFC) sowie Schwefelhexafluorid (SF6).
Zu welchem Preis die Emissionszertifikate zu erwerben sind, ist in einer zeitlichen Staffelung festgelegt. In der ersten Phase erfolgt der Kauf von Zertifikaten zu festgelegten Fixpreisen, beginnend mit 25 €/t und steigert sich jährlich auf bis zu 55 €/t. In einer zweiten Phase beginnt der Mechanismus der Versteigerung der Emissionszertifikate, allerdings innerhalb eines festgelegten Preiskorridors. Erst nach dieser Einführungsphase werden die Zertifikate ohne Preissteuerung frei versteigert.
Die dadurch entstehenden Mehrkosten geben die Energielieferanten dann im Regelfall an die von Ihnen belieferten Letztverbraucher weiter, indem sie diese bei der Kalkulation ihrer Energiepreise berücksichtigen und an ihre Kunden weiterwälzen. Dass dies auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung in den aktuell bestehenden Lieferverträgen zulässig ist, dürfte mit Blick auf die Parallelen bei der Einführung der EEG-Umlage anzunehmen sein. Im Ergebnis trägt die Belastung also der (private wie industrielle) Letztverbraucher von Energie. Ziel des CO2-Preises ist es damit, die Verbraucher nicht nur zum Energiesparen anzuhalten, sondern auch zum Umstieg auf erneuerbare Energieträger zu motivieren. Im Gegenzug – um die Belastung der Verbraucher in Summe nicht unverhältnismäßig anzuheben – wird mit den Erlösen aus dem CO2-Preis die EEG-Umlage, die bislang jede letztverbrauchte Kilowattstunde Strom unabhängig von der Stromherkunft mit aktuell ca. 6,5 ct belastet, schrittweise abgesenkt.
Für die Industrie mit Produktionsstandorten in Deutschland hat die Einführung der CO2-Preise weitreichende Folgen. Zunächst müssen alle Industrieunternehmen nun die Verteuerung der Energiepreise bei der Kalkulation ihres Energieeinkaufes berücksichtigen. Damit werden künftig Versorgungskonzepte auf der Basis von erneuerbaren Energieträgern, z.B. PV-Anlagen, Altholz- oder Biogas-BHKW, voraussichtlich deutlich attraktiver werden.
Es stellen sich zudem weitere Herausforderungen für Industrieunternehmen. Dies gilt einmal mehr für solche Unternehmen, die zugleich dem europäischen Emissionshandel EU-ETS unterliegen. Nach der Konzeption des BEHG sollen Unternehmen unter dem Stichwort „Vermeidung von Doppelbelastungen“ zwar dem nationalen Emissionshandel und dem EU-ETS nur alternativ unterliegen. Die Abwicklung dieser Alternativität ist allerdings rechtlich gesehen bislang noch unklar, auch wenn sich die Deutsche Emissionshandelsstelle DEHSt in einem Leitfaden um Hinweise für eine mögliche praktikable Abwicklung bemüht. Insbesondere haben ETS-Unternehmen aktuell keinen rechtlichen Anspruch auf eine Vorab-Entlastung von den CO2-Preisen, lediglich die nachträgliche Entlastung ist bindend festgeschrieben. Wollen Unternehmen nicht in Vorleistung gehen, sind sie daher aktuell auf die Verhandlungsbereitschaft und das Entgegenkommen ihres Energielieferanten angewiesen.
Darüber hinaus bestehen weitere Ansätze für Ausnahmen von übermäßig durch die CO2-Preise belastete Industrieunternehmen, für die ein sog. Carbon-Leakage-Risiko, also das Risiko der Abwanderung ins Ausland aufgrund der hohen deutschen Energiepreise droht. Bei einer Abwanderung dieser Unternehmen wäre dem eigentlich bezweckten Klimaschutz nicht geholfen, da die Emissionen dann nur verlagert aber gleichermaßen und im Zweifel ohne Anreize zur Minderung entstünden. Die Ausformung der konkreten Ausnahmeregelungen hat der Gesetzgeber des BEHG dem Verordnungsgeber überlassen, mit dem aktuell vorliegenden Entwurf der BECV wurde hierfür ein Konzept geschaffen. Aber auch das hat es in sich, da Unternehmen bei Erfüllung der Voraussetzungen an die abwanderungsgefährdeten Sektoren und eine entsprechende Emissionsintensität darüber hinaus zu Gegenleistungen verpflichtet werden, die eine Investition in die Entwicklung von emissionsmindernden Technologien vorsehen.
Zudem ist noch unklar, ob das BEHG und das Konzept der CO2-Preise sowie der o.g. Ausnahmen in der aktuell umgesetzten Form verfassungsrechtlich bestehen werden und von der EU-Kommission beihilferechtlich genehmigt werden. Für eine eventuelle Rückabwicklung der Kostenwälzung sollten Vorkehrungen in Form von Vertragsklauseln und Vorbehaltserklärungen getroffen werden. Energieletztverbraucher sind also gut beraten, die weiteren Entwicklungen zu verfolgen und im Hinblick auf die eigene Situation fortlaufend zu bewerten.
Autorin: Rechtsanwältin Lena Ziska berät seit 2016 Industrieunternehmen in der auf das Energie- und Umweltrecht spezialisierten Kanzlei RITTER GENT COLLEGEN zu Fragen rund um die EEG-Umlage, die Besondere Ausgleichsregelung und den Emissionshandel.
Autorin: Rechtsanwältin Dr. Franziska Lietz berät seit 2016 bei RITTER GENT COLLEGEN Industriemandanten im Energie- und Umweltrecht, z.B. zu Fragen der Energiepreisbelastungen, Elektromobilität sowie dem betrieblichen Entsorgungsmanagement. Zuvor war sie am Energieforschungszentrum in Goslar im Rahmen der interdisziplinären Drittmittelforschung im Energiebereich tätig.