Climate Tech Fachartikel

Innovative Technologie für ein flexibleres Energiesystem

Ein Interview mit Dr. Thomas Walter, Geschäftsführer der Easy Smart Grid GmbH.

Sehr geehrter Herr Dr. Walter, Sie sind Gründer der Easy Smart Grid GmbH. Wie kam es dazu?

Alles fing 2011 an, als ich bei einem Photovoltaik-Unternehmen arbeitete. Wir hatten eine konkrete Kundensituation auf den Malediven, bei der Photovoltaik unter Vollkostenbetrachtung nur halb soviel kostete wie fossiler Strom. Trotzdem konnte man nur einen geringen Teil PV-Strom nutzen, und es wurde klar, dass nicht die Kosten von PV-Strom die Begrenzung der Energiewende waren, wie vorher gedacht, sondern deren schwankende Erzeugung. Denn selbst bei einem Preisvorteil von 25 ct/kWh für PV war Batterie-Energiespeicherung zu teuer. Wir fanden aber mit Lastflexibilisierung eine sehr viel kostengünstigere Methode der Energiespeicherung, eine Logik, sie zu nutzen und eine Technologie, das umzusetzen. Diese Technologie haben wir dann 2012 zum Patent angemeldet. 2014 wurde mein vorheriger Arbeitgeber in der großen PV-Krise insolvent, und ich entschied mich, diese Logik und Technologie als eigenständige Lösung voranzubringen. Dazu gründete ich Easy Smart Grid und kaufte die Patentschutzrechte aus der Insolvenzmasse. Gemeinsam mit einer früheren Mitarbeiterin versuchte ich 2014 Venture Capital zu akquirieren, was aber leider nicht gelang. Immerhin wurden wir 2014 zu einem der drei besten Smart Energy Start-ups gewählt, mit 15.000 EUR Preisgeld. Ab 2015 änderte ich dann die Strategie und versuchte Anwendungen zu finden und zu entwickeln.

Eine sehr interessante Entwicklung. Welche Vision stand dann im Fokus und wie schwer war es diese umzusetzen?

Die Energiewende hat zwei zentrale Herausforderungen, zu deren Lösung wir beitragen. Das ist Erstens die deutliche Senkung der Energiespeicherkosten, die volatile Erzeugung aus Sonne und Wind verursacht. Diese gelingt, wenn das Potential zur Lastverschiebung genutzt wird, die insbesondere bei Wärme (Wärmepumpe plus thermischer Speicher) und Elektromobilität (Laden des Fahrzeugs bevorzugt zu einem Zeitpunkt, wenn Sonne und Wind vorhanden ist) in großem Umfang verfügbar sind bzw. werden. Heute machen beide Anwendungen zusammen etwa zwei Drittel des Treibhausgasausstoßes in Deutschland aus.

Die zweite Herausforderung betrifft die Koordination aller dieser wirtschaftlich unabhängigen Akteure – woher weiß meine Wärmepumpe, dass jetzt gerade viel Energie verfügbar ist, weil Sonne scheint, Wind weht und andere gerade wenig verbrauchen – und deren Motivation, auch tatsächlich den Betrieb der Wärmepumpe zu diesen Zeiten zu verlagern? Beides gelingt mit dynamischen Preisen für Energie, auf die Geräte wie die Wärmepumpe am besten vollautomatisch richtig, also zu Zeiten niedriger Strompreise, reagieren.

Welche Technologie bietet Ihr Unternehmen dabei konkret?

Wir stellen unseren Kunden eine Technologie zur Verfügung, mit denen sie Energiesysteme mit hohen Anteilen regenerativer Erzeugung effizient, also zu niedrigsten möglichen Kosten, betreiben können. Diese Technologie besteht aus zwei Komponenten, nämlich Algorithmen, mit denen potentiell flexible Geräte befähigt werden, auf sich ändernde Preissignale intelligent mit zeitlicher Verschiebung des Betriebs so zu reagieren, dass für sie finanzieller Nutzen entsteht, sowie Algorithmen, mit denen lokale Preissignale so erzeugt werden, dass der angeschlossene „Schwarm“ preisreagibler Geräte auf ein gemeinsames Ziel hin optimiert werden kann, z.B. auf maximalen Eigenverbrauch. Technisch basiert das auf einem 2012 patentierten Verfahren, mit dessen Hilfe Preissignale aus dem Stromnetz abgeleitet werden. Etwas vereinfacht besagt es, dass alles, was für das Energiesystem physikalisch nützlich ist, für den Nutzer finanziell attraktiv ist und umgekehrt.

Wie definiert sich dabei Ihr Geschäftsmodell?

Unser Geschäftsmodell besteht aus drei Komponenten: Erstens kann der Kunde unser Know-How nutzen, indem er eine Lizenz auf die Patente erwirbt. Zusätzlich kann er auch unsere Erfahrung für eine schnellere und effizientere Umsetzung nutzen, indem er unsere bestehenden Algorithmen erwirbt und unsere Beratung in Anspruch nimmt. Unser Hauptkunde ist dabei der Betreiber solcher Energiesysteme, also ein Netzbetreiber, Facility Manager oder ein Mieterstrombetreiber. Dieser kann dann den Lieferanten flexibler Geräte, z.B. Wärmepumpen oder Lademanagement, das notwendige Know-How weitergeben. Prinzipiell geht das aber auch umgekehrt, wenn ein Wärmepumpenhersteller unsere Technologie integriert, um seinen Kunden einen Zusatznutzen zu bieten, oder durch spezialisierte Anbieter z.B. von Energiemanagementsystemen.

Hochinteressant. Gibt es aktuelle Projekte an denen Sie arbeiten?

Wir befinden uns gerade im Übergang von der Innovation in den Markt. Die Herausforderung solcher intelligenten Lösungen ist ja das Zusammenwirken einzelner Komponenten mit dem System, wofür man beide Seiten überzeugen muss. Wir demonstrieren die Technologie erstmalig in einem Reallabor mit 22 Wohneinheiten in einer neu errichteten Siedlung in Allensbach am Bodensee. Einige der Projektpartner wollen das jetzt aufgreifen und in eigene Angebote umsetzen, zusätzlich haben wir erste Anfragen von Partnern, die unsere Technologie in eigene Lösungen integrieren wollen. Hier sprechen wir mit Akteuren aus den Anwendungsbereichen klimafreundliche Quartiere, Gewerbe und Industrie, sowie Netzbetreibern.

Wie sehen Sie als Experte die Zukunft des Energiemarktes? Was wird sich hier Ihrer Meinung nach in den nächsten 5-10 Jahren verändern?

Der Energiemarkt steht in den nächsten Jahren vor einem gewaltigen Umbruch, wenn die vereinbarten Ziele erreicht werden sollen. Zum Einen müssen auch außerhalb des Stromsektors fossile Energieträger in großem Maßstab ersetzt werden, insbesondere Gas für Heizung und Benzin/Diesel im Transportsektor. Dazu ist weit über das bisherige Maß der Ausbau der Erzeugung aus Sonne und Wind erforderlich. Entscheidend wird sein, dass die dabei verfügbar werdende Flexibilität intelligent genutzt wird, weil dies nahezu kostenlose „virtuelle Batterien“ schafft. Dazu hilft es, wenn die dazu geschaffenen Vorgaben der EU – insbesondere stärkere dezentrale Verantwortung lokaler Energiegemeinschaften und dynamische Endkundentarife – schnell und effizient umgesetzt werden. Möchte man dies in effizienter, resilienter, einfacher und kostengünstiger Weise tun, werden sehr viele Akteure auf die Technologie von Easy Smart Grid zugreifen wollen. Die Energiewende kommt dann entscheidend und schnell voran, wenn massiv in regenerative Erzeugung und Flexibilisierung des Verbrauchs im Wärme- und Mobilitätssektor investiert wird.

Vielen Dank Herr Dr. Walter für das interessante Interview und weiterhin viel Erfolg.

Über den Interviewten: Dr.-Ing. Thomas Walter studierte an den Universitäten in Karlsruhe, Essex/GB und Aachen. Seine internationale Berufserfahrung umfasst technische Innovation und Digitalisierung, Beratung sowie Aufbau und Management neuer Geschäftsfelder in Industrie und Dienstleistung. Seit 2011 konzentriert er sich beruflich auf die effiziente Transformation des Energiesystems zu Erneuerbaren.

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