Software allein kann die Klima Krise nicht lösen, wir brauchen auch Hardware
Nachdem sich die Finanzierungskonditionen für Startups in den letzten Monaten extrem verändert haben, ist es umso ermutigender, dass der Klimabereich davon größtenteils verschont bleibt. Es fließt weiterhin viel Kapital in Softwarelösungen zur Erfassung, Berechnung und Meldung von CO2 Emissionen. Es sollte keinen überraschen, dass Investoren gerne in Projekte investieren, die ihnen in der Vergangenheit gute Renditen beschert haben, und SaaS Unternehmen haben sich als relativ zuverlässige Investments erwiesen. Vor allem in der derzeitigen unsicheren Wirtschaftslage, die sich durch den Kollaps von der Silicon Valley Bank noch weiter zugespitzt hat, ziehen VCs vermehrt risikoärmere Wetten auf Unternehmen mit bewährten Geschäftsmodellen vor.
Hardware-Startups hingegen sind kapitalintensiver, und Investoren müssen mehr Geduld mitbringen, bis sie eine Rendite sehen. Darüber hinaus passen die langen Wachstumshorizonte von Hardware-Unternehmen in der Regel nicht zu den Lebenszyklen von VC-Fonds, wodurch eine Finanzierungslücke zwischen Software und Hardware entstanden ist. Das bringt eine Reihe von Problemen mit sich.
Zunächst muss festgehalten werden, dass wir nicht alle unsere Klimaprobleme mit Software allein lösen können. Nehmen wir als Beispiel die Baubranche. Sie ist für 40 % der globalen CO2-Emissionen verantwortlich und benötigt dringend Technologien zur Dekarbonisierung von Baumaterialien und -verfahren. Dennoch erhielt der Sektor nur 5,1 % der Klima-Tech-Investitionen im Jahr 2022, während 45 % an Startups aus dem Bereich Mobilität und Transport gingen.
Klima-Hardware hat ein Image Problem
Die vorherrschende Zurückhaltung bei Investitionen in Klima-Hardware ist teilweise auf den Ruf dieser Startups zurückzuführen. Die meisten Attribute, nach denen VCs bei einem potenziellen Investment suchen – Skalierbarkeit, Kapitaleffizienz, schnelle Iterationszyklen, niedrige Grenzkosten und wiederkehrende Einnahmen – entsprechen dem Profil von Software- und nicht Hardware-Startups. Darüber hinaus erinnern sich viele VCs noch an die erste Welle an hardware-lastigen Climate-Tech Startups – damals noch unter dem Namen „Cleantech“.
Zwischen 2006 und 2011 erlebte dieser Sektor einen der schlimmsten Boom-and-Bust-Zyklen in der Geschichte der Technologieinvestitionen. Risikokapitalgeber investierten über 25 Milliarden US-Dollar in Startups, welche hohe Gewinne und ein gutes Gewissen versprachen und verloren mehr als die Hälfte ihres Geldes. Mehr als 90 % der in diesem Zeitraum geförderten Cleantech-Startups hatten einen ROI unter 1.
Anders als in der Automobilindustrie gibt es im Climate-Tech keine starken OEMs, welche über die notwendige Finanzstärke, Marktmacht und langfristige Orientierung verfügen um aufwändige Hardwareinnovationen frühzeitig zu finanzieren.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, wenn VCs sich auf das vertraute Territorium der B2B-SaaS-Lösungen zurückziehen.
Komplexere Finanzierungsstrukturen und staatliche Förderung
In Hinblick auf diese Herausforderung ist eventuell ein Umdenken in der Finanzierung notwendig. Anstatt einer reinen Equity-Finanzierung, in der ggf. Ein Investor die gesamte Finanzierungsrunde für sich beansprucht, wird bei der Finanzierung von Hardware im Climatetech auf mehr Kooperation und komplexere Konstrukte zurückgegriffen werden. Eine Kombination aus mehreren VCs, staatlicher Förderung und dem effektiven Einsatz von Fremdkapital kann das notwendige Durchhaltevermögen und die Finanzkraft liefern um diese wichtigen Innovationen zu finanzieren. Allerdings sind auch diese Komponenten nicht unproblematisch und stehen zunehmend unter Druck.
Gerade staatliche Förderprogramme für Climate-Tech können bei der Finanzierung von Zukunftsthemen einen entscheidenden Beitrag leisten, wenn sie selektiv und investorenfreundlich gestaltet sind. Dabei sind aber die Gestaltung der Rahmenbedingungen und der Investitionskriterien von entscheidender Bedeutung. Ohne die notwendige Disziplin und ausreichende Due Diligence können schlecht gemanagte Programme Signale verwischen und Folgeinvestitionen für VCs komplizierter machen.
Während wir bis vor kurzem noch eine zunehmende Popularität von Fremdkapitalfinanzierungen bei Hardware-lastigen Startups sahen, geriet dieser Trend angesichts der Zinssteigerungen, dem Kollaps von Silicon Valley Bank und der unsicheren Wirtschaftslage unter Druck. Weitere Verschlechterungen im Makro-Umfeld können diese Finanzierungskomponente zunehmend unattraktiver erscheinen lassen.
Der Wettbewerb aus dem Ausland nimmt zu
Es ist dringend notwendig, Startups im Bereich der Klimahardware zu unterstützen, und zwar nicht nur wegen unserer Bemühungen, unsere Net Zero Ziele zu erreichen, sondern auch wegen der Konkurrenz aus den USA und China.
Europa muss nun mit den enormen grünen Anreizen konkurrieren, die die Vereinigten Staaten durch ihren Inflation Reduction Act für Start-ups im Bereich Klimatechnologie bieten. Wir laufen Gefahr, vielversprechende, impact-orientierte Unternehmen an die USA zu verlieren, besonders in der Scale-Up Phase. Das wäre nicht nur ein Rückschlag für die Klimaschutz-Bemühungen in Europa, sondern auch für die Fähigkeit des Kontinents, globale Technologieunternehmen zu fördern und ambitionierte Unternehmer zu ermutigen, in Europa zu gründen. Wir können Net Zero nur dann erreichen, wenn wir die Entwicklung von Technologien beschleunigen, die uns helfen, CO2 zu messen und kompensieren, erneuerbare Energie zu entwickeln, und andere dringende Probleme lösen, die durch den Klimawandel verursacht werden.
Als Investoren können wir im Kampf gegen den Klimawandel eine wichtige Rolle spielen, indem wir die richtigen Lösungen unterstützen, die die Emissionen erfolgreich senken und nachhaltige Erträge liefern. Es ist ein Umdenken erforderlich, und zwar eines, das ein freundliches Umfeld für diejenigen schafft, die Klimatechnologien in Europa aufbauen.
Wir müssen unseren Finanzierungsansatz überdenken
Die VC Branche in Europa hat in den letzten Jahren beachtlich aufgeholt, doch obwohl wir große Fortschritte gemacht haben, entgehen uns immer noch viele Chancen, weil unsere Risikobereitschaft nicht mit der der amerikanischen Investoren mithält. Infolgedessen führen US-Fonds derzeit eine Mehrheit der interessantesten Deep-Tech-Projekte an. Während europäische Investoren vor der Finanzierung von Geschäftsmodellen ohne klare Rentabilitätsaussichten zurückschrecken, sind US-Investoren bereit, „Moonshot“-Wetten einzugehen, z. B. in der Raumfahrt und Fusionsenergie, die das Potenzial haben, unser Leben und den Planeten radikal zu verändern.
Eine weitere Hürde ist das traditionelle VC Modell. Investoren müssen ihre Investitionszyklen längerfristig ausrichten, beispielsweise durch das Umstrukturieren ihrer Fonds, um sie flexibler zu gestalten. Hardware-Startups brauchen mehr Zeit, um ein profitables Produkt und eine Markteinführungsstrategie zu entwickeln, was sich im Investitionshorizont widerspiegeln muss.
Jetzt ist es auch an der Zeit, dass Impact- und Klima-Investoren zeigen, dass sie ihren Worten Taten folgen lassen. Statt kurzfristigen Gewinnen nachzujagen, müssen sie darüber nachdenken, wie sie ihr Kapital so einsetzen, dass es sowohl ihren LPs als auch dem Planeten zugutekommt. Da die Finanzbranche noch immer stark gegen Greenwashing Vorwürfe ankämpft, ist es an der Zeit zu beweisen, dass wir echte Sparringspartner für vielversprechende Startups sind.
Positive Aussichten für Klimahardware
Bei KOMPAS halten wir uns bei unseren Investitionen grob an eine 20-80% Aufteilung zwischen Software und Hardware. Wir schließen kein Investment aus, nur um diesen Split zu halten, aber es dient als Erinnerung, auch Möglichkeiten mit einem längeren Wachstumshorizont auf unserem Radar zu behalten. Mit der richtigen Unterstützung haben diese Startups das Potenzial, sich zu globalen Multimilliarden-Dollar-Unternehmen zu entwickeln, weil sie sehr skalierbar sind. Das Exit-Potential für Investoren ist groß, und es ist erwähnenswert, dass die Mehrheit der Klima-Startups, die an die Börse gegangen sind, Hardware-Unternehmen sind. Die Liste der Hardware-Einhörner, zu denen derzeit Namen wie Vertical und FRYR gehören, wächst ebenfalls schnell. Da die aktuelle Marktlage Investoren zu sicheren Investments treibt, bietet das viele Möglichkeiten für risikofreudige Wagniskapitalgeber, zu attraktiven Bedingungen bei spannenden Hardware Startups einzusteigen. Die VC Branche ist darauf begründet, optimistisch auf technologische Innovationen zu schauen, und angesichts der schnellwachsenden Zahl an innovativen Klima-Startups gibt es viel Anlass, optimistisch zu sein.
Autor: Andreas Winter-Extra ist Partner bei KOMPAS VC und verantwortlich für Investitionen in Ost- und Südeuropa sowie im deutschsprachigen Raum. Bevor er zu Kompas VC kam, war er Managing Director eines Energy- und Smart-City-Venture-Fonds in Österreich und Investment Director für Europa und Israel beim Volvo Cars Tech Fund. Im Laufe seiner Karriere hat Andreas sein Engagement für eine bessere Welt gezeigt, indem er Innovationen unterstützt hat, die die Auswirkungen unseres modernen Lebensstils auf die Umwelt verringern. Sein besonderes Interesse gilt der Begrenzung der Kohlenstoffauswirkungen der bebauten Umwelt und der Unterstützung der Menschen bei einem längeren, gesünderen und glücklicheren Leben in ihren Häusern.