Climate Tech Fachartikel

Verfügbar, verlässlich und vergleichbar — Emissionsdaten als Grundbausteine für eine nachhaltige Lieferkette

In immer mehr Industrieländern sind Unternehmen gefordert, Übersicht über die CO2-Emissionen ihrer Lieferkette zu haben und darauf Einfluss zu nehmen. Das Ziel lautet, in allen Stufen der Warenproduktion Emissionen zu reduzieren und unvermeidbare Emissionen auszugleichen. Auf welche Anforderungen müssen sich die Unternehmen dabei einstellen?

Der Schutz von Menschenrechten, gerechte Arbeitsbedingungen, Umwelt- und Klimaschutz – damit sich hier in den weit verzweigten Geflechten internationaler Lieferketten und Zulieferbeziehungen etwas zum Besseren ändert, gab es bislang vor allem freiwillige Initiativen. Deren Wirkung war allerdings sehr begrenzt. Was sie bislang nicht geschafft haben, soll zukünftig durch Gesetze geschehen: Unternehmen sollen entlang ihrer Lieferketten mehr Verantwortung für soziale und ökologische Belange übernehmen. In Deutschland wird dies zukünftig durch das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz umgesetzt. Es gilt ab 2023 für Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland und mehr als 3.000 Mitarbeitenden, ab 2024 wird es auch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden betreffen.

Was genau macht eine nachhaltige Lieferkette aus?

Das kommende Lieferkettengesetz legt den Fokus zwar auf die soziale Nachhaltigkeit. Aber gerade im Kampf gegen den Klimawandel hat vor allem die ökologische Dimension eine zentrale Rolle. Hier können Unternehmen ansetzen und den ersten Schritt in Richtung einer nachhaltigen Lieferkette gehen.

Indem sie sich transparenten Einblick in ihre Emissionsquellen verschaffen und die größten Emissionstreiber erkennen, können sie erste Schlüsse für die dringendsten Handlungsfelder ableiten sowie weitere Maßnahmen erarbeiten und umsetzen.

CDP: Lieferketten sind für einen Großteil der Emissionen verantwortlich

Das CDP wertete für seinen Global Supply Chain Report 2019/20 zur Kategorie Klimawandel die Antworten von über 6.800 Unternehmen aus, die vor allem als Zulieferer und Lieferanten tätig sind. Demnach haben sie rund 8.000 Millionen Tonnen Treibhausgase pro Jahr (Scope 1 und 2) verursacht. Gleichzeitig konnten sie über 560 Millionen Tonnen Treibhausgase durch diverse Maßnahmen, zum Beispiel die Steigerung der Energieeffizienz und Einsparung von Prozessemissionen, einsparen.

Hier wird deutlich: Lieferketten verursachen zwar hohe Emissionen, sie bieten aber auch ein hohes Einsparpotenzial, das alle Beteiligten gemeinsam betrifft, nicht nur auftraggebende Unternehmen. Betrachtet man zum Beispiel die Lebensmittel- und die Modeindustrie, sind hier die Vorketten enorm wichtig, etwa bei der Herkunft der Materialien und Rohstoffe sowie deren Transport- und Lieferwege. Lieferanten bilden hier einen entscheidenden Hebel, der sich auf den CO2-Fußabdruck des Endprodukts entscheidend auswirkt.

Sorgfaltspflichten betreffen nicht nur die Vorkette

Viele Stufen entlang der Wertschöpfungskette eines Unternehmens finden außerhalb des eigenen Einflussbereiches statt und haben verschiedenste Auswirkungen. Genau hier beginnen die ersten Hürden: Internationale Standards bieten Richtlinien und Bilanzierungsmethoden zur Erfassung von Emissionsdaten (z.B. das Greenhouse Gas Protokoll), jedoch unterscheiden sich die Voraussetzungen stark. Daten liegen sehr oft in unterschiedlichsten Formaten und Mengen vor, die Qualität unterscheidet sich sowohl von Region zu Region als auch zwischen den Standorten.

Auch innerhalb der Unternehmen können bereits große Unterschiede bei der Datenqualität bestehen. Infolgedessen können sie bei dem Ziel einer einheitlichen Bilanzierung oft an Grenzen stoßen. Trotzdem müssen sie Daten zu Umwelteffekten und Emissionen bereitstellen, aufarbeiten und vergleichbar machen.

Die Vergleichbarkeit der Daten

Gerade im Bereich der Vergleichbarkeit müssen Unternehmen einige Hürden nehmen. Fragestellungen, die hier erste Orientierung liefern, sind zum Beispiel:

• Welche Emissionsfaktoren ermöglichen die Quantifizierung der verursachten Treibhausgasemissionen?

• Wie weisen Unternehmen ihre Emissionen nach und dokumentieren Maßnahmen zur Reduzierung oder Vermeidung?

• Wurden für die Berechnung die gleichen Standards und Systemgrenzen herangezogen?

Die Vergleichbarkeit der Daten ist das Fundament für eine einheitliche Bilanzierung und die weitere Maßnahmenableitung. Nur wenn diese gegeben ist, lassen sich Reduktionspotenziale und Emissionseinsparungen auf einer gemeinsamen Basis erarbeiten und ermitteln.

Bevor es jedoch in die Vergleichbarkeit geht, müssen die CO2-Daten verfügbar sein. Dazu ist es notwendig, sie zuverlässig zu sammeln und aufzubereiten. Allerdings haben lediglich knapp 17 Prozent der deutschen Unternehmen Informationen zu Emissionen und Klimaschutzmaßnahmen ihrer direkten Lieferanten, wie eine Studie belegt. Sollen Unternehmen hierzu also Angaben machen, geht es in vielen Fällen nicht ohne Benchmarks und Schätzungen.

Das Zusammenspiel von Unternehmen und Lieferanten

Erreichen Lieferanten für sich und/oder ihre Produkte Klimaneutralität, wirkt sich das direkt auf die Scope 3 Emissionen der mit ihnen in Verbindung stehenden auftraggebenden Unternehmen aus und trägt dazu bei, den Carbon Footprint der Vorkette so gering wie möglich zu halten.

Neben diversen vertraglich geregelten Maßnahmen und Anforderungen können Unternehmen die eigenen Lieferanten auf dem Weg in Richtung Nachhaltigkeit und Klimaneutralität mit diesen Punkten unterstützen:

1. Erhöhen des Primärdatenanteils: Sukzessive kann über gezielte Ausbildung und Schulung der Lieferanten der Anteil der Primärdaten über die Jahre erhöht werden. Dies macht die Lieferkette noch transparenter, die eigenen Scope 3 Emissionen können noch detaillierter berechnet werden.

2. Nutzen von gemeinsamen Plattformen: Diese helfen, verschiedenste Datenformate an einer Stelle zu bündeln und für alle Nutzer verfügbar zu machen.

3. Etablieren eines Monitoringprozesses: Unternehmen können mit einem ganzheitlichen Monitoring und Management über die Lieferkette etwaige Reduktionsmaßnahmen besser umsetzen und Synergien nutzbar machen.

4. Sensibilisierung von Lieferanten: Know-How und Prozesse beim Lieferanten werden aufgebaut durch Sensibilisierung und Befähigung, beispielsweise durch festgelegte Verantwortlichkeiten, Bildung von Teams, Schulungen sowie Bereitstellen der nötigen Toollandschaft.

5. Fördern von Austausch: Das Einholen von lieferantenspezifischem Feedback sowie der Austausch innerhalb der jeweiligen Branchen ermöglichen kontinuierliche Verbesserung und gemeinsamen Fortschritt in Richtung einer nachhaltigen Lieferkette, nachhaltiger Unternehmen als auch einem nachhaltigem Industriesektor.

6. Durchführen von regelmäßigen Vergleichsstudien: Branchenspezifische als auch -übergreifende Benchmarks geben Aufschluss über die Positionierung im Markt sowie notwendige Ausrichtung der gemeinsamen Klimaschutzstrategie.

Unternehmen, die ihre Lieferkette nachhaltig aufstellen und gestalten, genießen viele Vorteile: Neben einem positiven Image können sie die Materialversorgung sicherstellen, Innovationen unterstützen und Beziehungen zu den Lieferanten als auch als Arbeitgeber stärken. Eine nachhaltige Lieferkette fördert Wertschöpfung und Erfolg und trägt dazu bei, CO2-Emissionen über den gesamten Wertschöpfungsprozess zu reduzieren.

Autorin: Lotte Schmidt, Co-Team Lead Consulting bei ClimatePartner. Fokus auf die Entwicklung von Klimaschutzstrategie, Lieferantenengagement und nachhaltigem Supply Chain Management. Diverse Beratungsprojekte für nachhaltige Lieferketten für internationale Unternehmen sowie für die Definition von Reduktionszielen.

Autorin: Katrin Bolkart, Consulting Manager bei ClimatePartner. Fokus auf die Entwicklung von Klimaschutzstrategie, Integration von Nachhaltigkeit in Kernprozesse und Reduktionszielsetzung inkl. Impact Assessment. Umsetzung und Implementierung von Reduktionsmaßnahmen in internationale Unternehmen.

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